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Jugendkriminalität vor den Jugendrichtern des Amtsgerichts Lörrach

Datum: 18.02.2008

Kurzbeschreibung: 

Das Amtsgericht Lörrach verzeichnet keine gravierende Veränderung bei der Zahl der Verfahren vor den beiden Jugendrichtern. So sind es seit 2004 um die 800 Jugendliche und Heranwachsende, die sich pro Jahr vor Richterin Annegret Lange verantworten müssen. Das Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richter Martin Graf hat es üblicherweise mit 200 Delinquenten im Jahr zu tun.

Vor dem Jugendschöffengericht landen Jugendliche (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 20 Jahren), bei denen die Staatsanwaltschaft eine Jugendstrafe erwartet. Dabei fällt Richter Graf das Urteil unter Mitwirkung von zwei Schöffen, die in der Jugendarbeit erfahren sind. Die Jugendrichterin hat es regelmäßig mit geringeren Verfehlungen zu tun, bei denen es Richterin Lange zum Beispiel bei der Ableistung von Arbeitsstunden, Zahlung von Geldauflagen oder einem Jugendarrest belassen kann. Beiden Juristen steht mit dem Jugendstrafrecht eine Reihe von Sanktionen zur Verfügung. Das Jugendgerichtsgesetz unterscheidet zwischen Erziehungsmaßregel, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Eine Erziehungsmaßregel ist zum Beispiel die gerichtliche Weisung, einen Anti-Aggressionskurs zu absolvieren. Die Auflage, gemeinnützige Arbeit zu leisten, stellt ein Zuchtmittel dar. Ultima Ratio ist die Jugendstrafe. Bei der Auswahl der Sanktionen richten sich Annegret Lange und Martin Graf danach, welche nach der Persönlichkeit des Täters den besten Erfolg dafür verspricht, dass er künftig keine Straften mehr begehen wird.

Bei Erwachsenen bemisst sich die Höhe der Strafe maßgeblich nach der Schuld des Täters. Im Jugendstrafrecht stehen dagegen nach dem Gesetz fast ausschließlich erzieherische Gesichtspunkte im Vordergrund. Nicht Sühne, Vergeltung, Abschreckung, sondern die Persönlichkeit des jungen Straftäters und seine Erziehung, Sozialisation und Resozialisierung bestimmen Art und Maß der Reaktion auf die Straftat. „Diese Menschen befinden sich in einem Reifeprozess und sind anders als Erwachsene noch durch erzieherische Maßnahmen zu beeinflussen. Das vielfältige Instrumentarium des Jugendstrafrechts bietet hier Möglichkeiten, individuell auf den Straftäter einzuwirken, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten“, weiß Martin Graf.

Sehr wichtig ist für die jugendlichen Sünder auch, dass die Strafe rasch auf die Tat folgt. Nur dann kann die Strafe erzieherisch wirken, meinen Profis. Das Lörracher Gericht ist daher stolz, dass die Verfahren beim Jugendgericht gerade einmal 6 Wochen dauern. Die aufwändigen Verfahren vor dem Jugendschöffengericht sind nach ca. 4 Monaten abgeurteilt. Damit belegen die Lörracher einen vorderen Platz in Baden-Württemberg.

Seit Jahren ist auch die Art der Verfehlungen in etwa konstant: Bei jeder dritten Sache geht es um Diebstahl. Verbotene Betäubungsmittel sind bei ca. 10% der Verfahren Kern des Problems. Vorsätzliche Körperverletzung ist Inhalt weiterer 15 % der Fälle.  Bei den Gewaltdelikten bemerken die beiden Richter eine Veränderung: Die Härte der Auseinandersetzung und die Schwere der Verletzungen nahmen in den letzten Jahren zu, meinen Lange und Graf. Beim Jugendgericht kommen dann noch 150 Jugendliche dazu, die im Straßenverkehr straffällig geworden sind. Nach wie vor geht es in diesen Verfahren mehrheitlich um frisierte Zweiräder, stellt Richterin Lange fest.

Annegret Lange und Martin Graf schätzen an ihrer Arbeit auch die intensive Zusammenarbeit mit den Jugendsachbearbeitern der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Jugendamts. Hier ziehen alle an einem Strick und wollen das Beste für die Jugendlichen bewirken.

Bei Jugendkriminalität handelt es sich oft um relativ harmlose, vorübergehende Entgleisungen, die bei vielen jungen Menschen gleich welcher Gesellschaftsschicht  während der Einordnung in das soziale Leben der Erwachsenen auftreten können. So ist es in fast 200 Verfahren ausreichend, dass die energische Richterin Lange dem jugendlichen Missetäter ordentlich die Leviten liest und nach Ableistung von Arbeitsstunden oder Zahlung einer Geldauflage das Verfahren ohne Verurteilung beendet. Die meisten von diesen Jugendlichen kriegen dann die Kurve und sehen das Gericht nur noch von außen. Es gibt aber auch Fälle, in denen Jugendliche eine regelrechte „Karriere“ machen, die dann erst durch das Jugendschöffengericht mit einer Jugendstrafe vorläufig gestoppt wird. Auch hier werden aber die meisten Strafen zunächst zur Bewährung ausgesetzt. Langjährige Untersuchungen haben ergeben, dass die Rückfallquoten bei einem Gefängnisaufenthalt höher sind als bei zur Bewährung ausgesetzten Strafen. Bei einer Bewährungsstrafe ist es hingegen möglich, durch den Bewährungshelfer und durch erzieherische Maßnahmen bis hin zum Heimaufenthalt auf den jungen Straftäter einzuwirken. So sind es in Lörrach an die 100 Verurteilte, die unter dem Druck der Jugendstrafe in einer Bewährungszeit zeigen können, dass sie doch noch lernen, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden und sich daran zu halten. Es ist den beiden Richtern anzumerken, dass sie sich über jeden Jugendlichen freuen, der spätestens jetzt merkt, dass er sich verändern muss und in Zukunft nicht mehr straffällig wird.

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